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Was geht das mich an? Gespräche über Antisemitismus

Was geht das mich an? Gespräche über Antisemitismus

„Und wenn nun ein Mensch angegriffen wird? Nicht Superman sein, sondern menschlich sein, immer Mensch sein.“ Sätze wie dieser und weitere regten am 07. November 2019 – kurz vor der 81. Gedenktag der Reichspogromnacht – die gut 230 Gäste im Audimax an der Modellschule Obersberg zum Nachdenken über den Umgang mit Judenfeindlichkeit im Speziellen und darüber hinaus mit Menschenfeindlichkeit im Allgemeinen an. Gäste der vom Landesamt für Verfassungsschutz geförderten Gesprächsrunde waren der wegen mehrerer Angriffe auf ihn bekannt gewordene Offenbacher Rabbiner Mendel Gurewitz und der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker aus Frankfurt am Main. Interviewt wurden die beiden Gäste von den vier Schülerinnen und Schülern Amy, Klara, Victoria und Daniel. Visuell begleitet vom mahnenden Bild der von Einschusslöchern beschädigten Tür der Synagoge von Halle leiteten die vier Schüler anhand gemeinsam erarbeiteter Fragen durch das Gespräch. Während eines Arbeitstreffens in Wiesbaden hatten sie das Gespräch über die Biografien von Gurewitz und Becker, deren Arbeit und die Situation von Juden in Hessen zunächst vorbereitet.

Den Anwesenden im Audimax gab Mendel Gurewitz einen von charismatischer Lebensbejahung betonten Einblick in das jüdische Leben in Hessen. Angesprochen auf die antisemitischen Attacken auf ihn äußerte er seine feste Überzeugung, dass wir alle letzten Endes nur Menschen seien und niemand, weder Christ noch Jude noch Muslim, es verdient habe Opfer von Menschenfeindlichkeit zu werden. In ähnlicher Weise äußerte sich Uwe Becker, der immer wieder betonte, dass die Gesellschaft als Ganzes neue, hassvermeidende Umgangsformen erlernen müsse, damit das, was man in einem Miteinander erreicht habe, nicht in einem Gegeneinander verloren gehe. Wer heute gegen Minderheiten hetze und das gesellschaftliche Klima zum Schlechten verändere, der könne morgen bereits selbst Teil der nächsten Minderheit sein. Während Gurewitz über die kleinen und großen Dinge jüdischen Lebens stark durch seine eigene positive Überzeugung motiviert berichtete, schilderte Becker in seiner Funktion als Antisemitismusbeauftragter die Situation sachorientiert. So berichtete er über seine Arbeit im Allgemeinen, aber auch über die Ereignisse nach dem Attentat von Halle.

Einen unerwartet bewegenden Moment, der auch sehr vielen Schülern in Erinnerung geblieben sein sollte, erlebten alle Anwesenden während des Gesprächs über Sicherheitsmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen in Hessen. Die aus Wiesbaden stammende Interviewerin Klara, selbst jüdischen Glaubens, unterbrach das Gespräch, um zu berichten, dass ihr erst vor kurzem der volle Umfang, der ihr Leben bestimmenden Sicherheitsmaßnahmen begreiflich geworden sei. „Stellt euch vor, die Türen eurer Kirchen wären Schleusen mit Panzerglas und Metalldetektoren und vor den Schulen stünden Polizisten und Sicherheitspersonal.“

Das vom Landesamt für Verfassungsschutz geförderte und auf Initiative von Landrat Dr. Koch und Schulleiter Backhaus in unserer Region ausgerichtete Projekt „Begegnungen gegen Antisemitismus“ betreut Schülerinnen und Schülern der Wiesbadener Diltheyschule, der Gesamtschule Schenklengsfeld und der Modellschule Obersberg während eines Jahres bei der Ausrichtung und Durchführung von Veranstaltungen gegen Antisemitismus. Die beschriebene Veranstaltung ist nach einem Podiumsinterview während des Hessentags und einer Gedenkwanderung an die jüdische Familie Löwenberg in Schenklengsfeld die dritte aus dieser Reihe gewesen. Ebenfalls im Audimax werden zum Abschluss der Veranstaltungsreihe am 27. Januar 2020 um 19 Uhr (Einlass 18.30 Uhr) die Filmvorführung „JETZT – NACH SO VIEL‘ JAHREN“ über die jüdische Bevölkerung Rhinas und ein Gespräch mit den Filmemachern Pavel Schnabel und Harald Lüders stattfinden.

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