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In der Stiefelspitze – Bella Kalabria…

In der Stiefelspitze – Bella Kalabria…

Im Nationalmuseum in Reggio di Calabria: einer der „Heroen von Riace“

Im Rahmen des Mobilitätsprojektes Erasmus Plus für Lehrkräfte eröffnete sich mir die Möglichkeit, in den Sommerferien 2 Wochen nach Kalabrien zu fahren. Coronabedingt war lange unklar, ob eine Teilnahme möglich ist, umso mehr freute ich mich, dass es dann doch klappte.

Der Titel des Kurses: „Structured training for teachers: EXPERIENCE ITALY. Language, Culture and Food tasting in Calabria region” versprach eine Reise mit allen Sinnen. Diesem Anspruch gerecht zu werden, versuchten die Anbieter des Kurses mit großem Engagement, besonders bemerkenswert auch vor dem Hintergrund, dass sie aufgrund der besonderen Lage in diesem Jahr nur eine kleine Gruppe von 5 Lehrerinnen aus Deutschland und Polen zu betreuen hatten.

So erhielten wir Einblicke in die Geschichte und Kultur der südlichsten italienischen Festlandsregion. Für mich natürlich besonders interessant als Latein- und Geschichtslehrerin, da dieses Gebiet zu den ersten griechischen Siedlungen (Magna Graecia) gehörte und sich sowohl Homer als auch Vergil explizit in ihren Werken auf dieses Gebiet bezogen. Nicht umsonst heißt ein Ort an der Meerenge von Messina noch heute Scilla, was natürlich auf die berühmte Skylla als Pendant zu Charybdis  in der Odyssee anspielt. Ob Odysseus auch so angenehme Erinnerungen wie ich mitgenommen hat, scheint mir fraglich… Schon diese frühe Geschichte verweist darauf, dass Kalabrien ein Land ist, in dem es immer wieder Einwanderungswellen bzw. Eroberungen des Landes gab, Griechen, Normannen, Albaner, Araber, Spanier, Franzosen… Auch diesen vielfältigen Einflüssen spürten wir nach bis in die heutige Zeit, in der es viele international beachtete Integrationsprogramme für Migranten gibt. Besonders der Ort Riace erwarb sich dabei einen guten Ruf weltweit.

Auf der Seidenraupenfarm

In Badolato, einem wunderschönen Ort im Küstengebirge, welches aber mit Bevölkerungsschwund zu kämpfen hat, werden Migranten Häuser, die renovierungsbedürftig sind, zur Verfügung gestellt, um sowohl die Menschen zu integrieren, als auch die Bausubstanz des Ort zu retten, wie ich fand, eine interessante Möglichkeit. Kalabrien selbst hatte und hat durch den Wegzug vieler junger Menschen auf der Suche nach einer besser bezahlten Arbeit große Probleme. Dem versucht man durch die Schaffung neuer Erwerbsquellen Einhalt zu gebieten, unter anderem auf dem Gebiet nachhaltiger Landwirtschaft und die Stärkung traditionellen Handwerks. So besuchten wir eine Seidenraupenplantage, die einzigartig in Europa sein dürfte, eine traditionelle Töpferei, eine Mühle mit Bäckerei und Restaurant, in der man traditionelle Herstellungsverfahren nutzt und wo eine Kooperative mit nachhaltig produzierenden Landwirten gebildet wurde, einen Pastaproduzenten, der noch mit viel Handarbeit besser verträgliche Nudeln herstellt, und vieles mehr. So, da wären wir nun auch schon beim Essen angelangt. Italien ist ESSEN, nicht als notwendige Nahrungsaufnahme, nein, Essen als Kultur, als Tradition, als Philosophie. Man sieht auf der Straße keine hektisch laufenden Menschen mit einem TO-GO-Becher Kaffee und einem Gebäckstück in der Hand. Essen im Laufen  – unvorstellbar, barbarisch! Mittags Zeit für ein ausgiebiges Essen mit Freunden, mit Arbeitskollegen. Abends das Essen mit der Familie oder mit Freunden. Man nimmt sich die Zeit dafür. Der Blick auf das Programm des Kurses mit einer langen Mittgaspause hatte mich erst nervös gemacht. Aber wie schnell verging die Zeit beim Essen und beim Austausch mit den Kolleginnen (und Lehrern braucht man ja nicht zu sagen, dass sie über Schule reden sollen, so machen es sowieso…), so dass ich auch vieles über die Situation des Schulsystems in Polen aber auch an einer Mittelschule in Franken erfuhr. Toll war für uns alle ein Kochkurs mit Jolanta einer in Kalabrien verheirateten polnischen Foodbloggerin. Und manchmal war es dabei wie im Turm zu Babel ein Sprachengewirr von Englisch, Italienisch, Polnisch, Deutsch, nur, dass wie uns dabei auch verstanden und näher kennenlernten.

Internationales Kochteam bei der Arbeit…

Und ich merkte einmal mehr, dass man die Sprache am besten lernt, wenn man sich traut, sie anzuwenden. Auf Erkundungen in der Stadt („Mission impossible…“) mussten wir Menschen nach bestimmten Dingen fragen, natürlich auf Italienisch. Das klappte zum Teil dann auch recht gut und im Verlaufe der zwei Wochen auch immer besser.  Die ungeheure Offenheit und Freundlichkeit der Menschen erleichterte das natürlich immens.

Was ist nun der Gewinn dieser beiden mit vielen Erlebnissen angefüllten Wochen? Neben vielen Erkenntnissen über Geschichte und Kultur der Region und einem Zuwachs in meinem sprachlichen Können war es das Empfinden, dass die Menschen in dieser wenig industriellen, wirtschaftlich eher schwachen Region Italiens sich des wahren Reichtums ihres Landes, der Natur, der reichhaltigen Geschichte, der Kultur bewusst sind und dass sie eine tiefe Liebe zu ihrem Land auch ausdrücken. Immer wollte uns jemand noch etwas zeigen. Für geschlossene Kirchen wurde schnell von einer Passantin ein Schlüssel besorgt, gern erzählten vor allem ältere Menschen über die Geschichte ihrer Gegend. Und hier wurde mir auch die Mission der EU deutlich vor Augen geführt. Viele der Projekte, die wir gesehen haben, wären ohne deren Unterstützung nur schwer möglich gewesen. Ich finde, das ist gut investiertes Geld, gerade jetzt, wo hier besonders die Einnahmen aus dem Tourismus Covid bedingt fehlen.

Der Hauptgewinn liegt für mich aber immer im Kennenlernen von Menschen. Der Austausch sowohl mit den italienischen Organisatoren, mit den anderen Teilnehmerinnen und Menschen, die ich darüber hinaus kennengelernt habe, war für mich sehr fruchtbar und ich bin sehr dankbar dafür.

Arrividerci.

Jana Möhrke

Weitere Informationen zu „Erasmus+“ findet man auf der Seite der Schulzertifikate.

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